Fehlerkultur als Wachstumsmotor – so geht’s wirklich
- Aurelia Hack

- 24. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Lesedauer: ca. 6–8 Minuten
„Das war mein Fehler.“
Als ich diesen Satz das erste Mal in einem Teammeeting offen gesagt habe, war ich selbst überrascht, wie still es wurde. Aber dann kam etwas Unerwartetes: Anerkennung. Und Erleichterung.
Denn es war nicht nur mein Fehler – sondern einer, den wir als Team hätten auffangen können. Und mein offenes Eingeständnis hat etwas gelöst: die Spannung, das Schweigen, das Verstecken.
Fehler passieren überall. Die Frage ist nicht, ob sie passieren – sondern, was danach passiert.
Was ist eine gesunde Fehlerkultur – und warum ist sie so selten?
Fehlerkultur bedeutet nicht, dass alles erlaubt ist. Es bedeutet auch nicht, dass man sich über Probleme hinweglächelt.
Es bedeutet:
Wir reden offen über das, was schiefläuft.
Wir lernen systematisch daraus.
Wir suchen keine Schuldigen – sondern bessere Lösungen.
In vielen Organisationen passiert jedoch das Gegenteil:
Fehler werden vertuscht.
Verantwortung wird abgeschoben.
Probleme werden kleingeredet – oder eskalieren.
Warum? Weil eine gesunde Fehlerkultur fehlt.
Eine Studie von Ernst & Young (EY, 2018) zum Thema Fehlerkultur in deutschen Unternehmen zeigt, dass nur 39 % der Mitarbeitenden ihrer Organisation eine offene Fehler-& Diskussionskultur zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten bescheinigen.
Warum Fehlerkultur ein echter Erfolgsfaktor ist
Fehlerkultur ist kein Kuschelthema. Es ist ein Business-Thema.
🔸 Sie fördert Innovation – denn wer Neues wagt, macht auch Fehler.
🔸 Sie stärkt Vertrauen – denn Offenheit ist die Grundlage für echte Zusammenarbeit.
🔸 Sie steigert Geschwindigkeit – weil Probleme schneller sichtbar werden.
🔸 Sie senkt Fluktuation – weil Mitarbeitende sich sicherer fühlen.
Unternehmen wie Google, Spotify oder Bosch investieren gezielt in Formate, die Lernen aus Fehlern systematisch fördern – nicht nur auf dem Papier, sondern im Alltag.
Drei konkrete Wege zu einer gelebten Fehlerkultur
🔻 1. Als Führungskraft selbst den Anfang machen
Fehlerkultur beginnt oben. Menschen orientieren sich nicht an Präsentationen, sondern an Verhalten.
Wenn du als Führungskraft sagen kannst: „Ich habe hier eine falsche Entscheidung getroffen – und das hat Auswirkungen gehabt“…öffnest du den Raum für andere, das auch zu tun.
Stichwort: psychologische Sicherheit durch Vorbild.
Noch kraftvoller: „Das war mein Fehler – und hier ist, was ich gelernt habe.“
So wird aus einem Fehler kein Gesichtsverlust, sondern ein Lerneffekt mit Mehrwert für alle.
🔻 2. Sprache verändern – Wirkung entfalten
Sprache formt Realität. Und wie wir über Fehler sprechen, entscheidet, ob Menschen sich öffnen oder verschließen.
Vergleich mal:
❌ „Wie konnte das passieren?“ vs. ✅ „Was war hier los – und was lernen wir draus?“
❌ „Das darf einfach nicht passieren.“ vs. ✅ „Okay, das ist ärgerlich – aber jetzt haben wir eine Chance, es besser zu machen.“
Vermeide Worte wie „schuldig“, „versagt“, „Fehler von XY“.Sprich stattdessen von „Lernmomenten“, „Abweichungen“, „Hinweisen auf Verbesserungsmöglichkeiten“.
🔻 3. Formate und Routinen schaffen, die Lernen ermöglichen
Fehlerkultur braucht nicht nur Haltung – sie braucht Raum.
Einige bewährte Formate aus der Praxis:
Fehler- oder Lern-Check-ins im Teammeeting: „Was lief nicht rund? Was nehmen wir mit?“
„Fuck-up of the Month“ – mit Humor und Erkenntnis
„Pre-Mortem Meetings“ bei neuen Projekten: Was könnte schieflaufen – und wie können wir das vermeiden?
Je natürlicher solche Reflexionen eingebaut sind, desto eher werden sie genutzt – und desto schneller entsteht eine echte Lernkultur.
Bonus-Tipp: Zwischen gravierenden und wertvollen Fehlern unterscheiden
Nicht jeder Fehler ist gleich. Ein Zahlendreher in einer E-Mail ist nicht dasselbe wie ein Sicherheitsverstoß.
Was hilft: Fehlerarten benennen.
Routinefehler: passieren jedem – minimierbar durch Checklisten
Wachstumsfehler: entstehen bei neuen Ideen – unverzichtbar für Innovation
Systemfehler: zeigen strukturelle Schwächen – wertvoll für Entwicklung
Gute Führung differenziert – statt pauschal zu bewerten.
Fazit: Fehler sind Teil von Fortschritt – wenn man sie zulässt
In einer Welt voller Komplexität, Tempo und Veränderung sind Fehler unausweichlich.Wer sie als Scheitern bewertet, verliert.Wer sie als Lernchance begreift, gewinnt – an Kompetenz, Vertrauen und Innovationskraft.
Fehlerkultur ist keine Schwäche. Sie ist ein Zeichen von Reife. Und sie beginnt immer bei der Führung.
💭 Reflexionsfrage zum Mitnehmen:
Wann hast du zuletzt einen eigenen Fehler offen angesprochen – und was hat es im Team ausgelöst?



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